Videos: Christen und Muslime in Tulln gemeinsam gegen den Terror

08. Nov. 2020

Wir in Tulln möchten den radikalen Kräften nach dem Wiener Attentat einen Strich durch die Rechnung machen.  Heute fand in St. Stephan ein Gottesdienst statt während dessen der Tullner Imam das Wort ergriff, am Freitag sprach unter anderem der katholische Stadtpfarrer während des muslimischen Freitagsgebets. Auch ich durfte an beiden Orten das Wort ergreifen - ich denke, es lohnt sich die veröffentlichten Vidos aufgrund ihrer Botschaften anzusehen. P.S.: Ich danke Christhoph Kowalski für die sehr gefühlvolle Gestaltung der Messe.

Update (11.11.): Auf Wunsch von BesucherInnen meiner Homepage stelle ich hier nun auch die Textversion meiner Rede online:

Guten Morgen,

Am vergangenen Montag wurden in Wien unschuldige Menschen von einem Attentäter ermordet. Wir werden heute für die Opfer beten wir alle fühlen tief mit deren Angehörigen.

Die Behörden befolgen vollkommen zu Recht all jene, die dieses Morden befürworten. Solche radikalen Kräfte haben in unserer offenen aufgeklärten Gesellschaft keinen Platz.

Die furchtbaren Ereignisse vom Montag betreffen uns alle. Ich danke daher Herrn Pfarrer Christoph Kowalski für die Einladung hier am Beginn dieser heiligen Messe zu sprechen. Ich durfte auch vorgestern, beim Freitagsgebet der Tullner muslimischen Gemeinde das Wort ergreifen - gemeinsam mit Stadtpfarrer Christoph Kowalski, mit Pfarrer Reginald Ejikeme von St. Severin sowie mit Pfarrer Velko Savic von der Tullner serbisch-orthodoxen Kirche. Es waren auch Laienvertreter der weiteren Religionsgemeinschaften anwesend. Es war im Gebetshaus in der Porschestraße eine berührende Zusammenkunft, während der wir uns willkommen gefühlt haben.

Warum besuchen wir uns gegenseitig? Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir den religiösen Fanatikern, den Islamisten, nicht in die Falle gehen. Diese verfolgen den perfiden Plan, dass durch jeden Anschlag in dem betroffenen Land die antiislamische Stimmung steigen soll. Denn dadurch steigen die Aversionen auch gegenüber jenen Muslimen, die eine friedliche Koexistenz mit Nichtmuslimen suchen. Das entspricht ganz dem Wunsch der Islamisten, denn diese wollen keine Muslime, die das Miteinander mit Menschen anderer Konfessionen suchen. Auch aus der Tullner muslimischen Gemeinschaft höre ich, dass sich die Sorge breit macht, sie könnten verstärkt stigmatisiert werden. Was im übrigen von rechtsradikalen Kräften sogar erwünscht wäre.

Die fatale Konsequenz der Ausgrenzung wäre, dass die moderate Mehrheit geschwächt und die radikalen Ränder gestärkt werden. Ich sehe es daher als Christ und Politiker als meine Aufgabe, jene Muslime, die für die Koexistenz der Religionen sind, zu stärken anstatt sie unter einen Generalverdacht zu stellen. Es braucht den Dialog daher den Dialog mit aufgeschlossenen Muslimen wie Imam Senad Kusur, der heute hier ist und auch zu Ihnen sprechen wird.

Sehr geehrter Herr Imam, ich grüße Sie mit den Worten, die Papst Johannes Paul II. bei der Eröffnung eines katholischen-muslimischen Symposiums 1985 in Rom sagt: „Euer und unser Gott ist ein und derselbe“. Aber nicht nur deshalb gehe ich gerne auf Sie zu, sondern weil ich Ihre Integrität schätze, die ich durch meine persönliche Beobachtungen erkenne, bei denen für mich grundsätzliche weder Religion noch andere Zugehörigkeiten eine Rolle spielen.

Wir glauben auf unterschiedlichen theologischen Wegen an Gott, aber wir glauben an den selben Gott. Im Vorjahr haben Papst Franziskus und Scheich Al Tayyeb, er ist Leiter der Al Akshar Moschee in Ägypten, der bedeutendsten Lehrstätte des sunnitischen Islam, eine gemeinsame Erklärung im Namen Gottes veröffentlicht. Damit bekannten sich die höchste christliche und eine höchste muslimische Autorität zu demselben Gott.

Für mich wurde dieses Bekenntnis bereits einmal ganz real, als ich vor zwei Jahren, am Allerheiligentag, am Klosterfriedhof der Benediktinerabtei Münsterschwarzach stand. Ich war Gast als die Mönche und Muslime am christlichen Friedhof zusammenstanden und im Gebet ihrer Mitbrüder bzw. Freunde und Angehörigen gedachten. Es war einzigartig, berührend und klar spürbar, dass sich alle in ihrer Trauer an den gleichen Gott wandten.

Zum Schluss meiner Rede zitiere ich, Dr. Kurt Appel. Viele von Ihnen werden in kennen, der ist Tullner und lehrt als Professor an der theologischen Fakultät der Universität Wien. Seine These lautet: Christentum, Judentum und Islam - auch andere Religionen - garantieren, dass nie eine Menschengruppe alleine Gott für sich beanspruchen kann. Damit bleibt das göttliche Geheimnis gewahrt. Dadurch kann man lernen, im Anderen eine Bereicherung zu sehen und die Vielfalt der Welt bejahen, weil Gott selbst sie bejaht hat.

Ich ersuche Sie daher, sind wir offen gegenüber unseren unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, zeigen wir erneut, dass Tulln die Stadt des Miteinanders ist.

Vielen Dank.