„Möglicherweise wäre das Schlimmste, das einem passieren kann, dass man überlebt.“
Aus aktuellem Anlass (Bericht des Klimaweltrates) stelle ich diesen Blogbeitrag vom 4. Juli 2018 wieder auf die erste Seite.
Während in Europa nach wie vor ein großes Theater aus dem Flüchtlingsthema inszeniert wird, spielen die Folgen der Explosion der Weltbevölkerung sowie der Erderwärmung noch immer nicht die Hauptrollen auf den maßgeblichen politischen Bühnen. In Tulln wollen wir da nicht mehr länger zusehen, denn Populismus und Nationalismus wird die Welt nicht retten – ganz im Gegenteil. Wir haben das entscheidende Zukunftsthema unseres Planeten ganz oben auf der Agenda. An dieser Stelle meines Blogs soll es nun nicht um unsere konkreten Taten – zum Beispiel, dass wir in Tulln die größte gemeindeeigene Photovoltaikanlage Österreichs betreiben – gehen. Vielmehr möchte Ihnen hier nun den Vortrag von Univ. Prof. Franz-Josef Radermacher von der Universität Ulm, den er im Juni in Tulln aufgrund meiner Einladung gehalten hat, zur Nachlese anbieten. Je mehr Menschen diesen Text kennen, umso mehr steigen die Chancen, das daraus eine Entwicklung beginnt, die es dringend braucht.
„Allein seit dem Jahr 2000 ist die Weltbevölkerung um 1,5 Milliarden Menschen gewachsen, das ist dreimal die Bevölkerung der Europäischen Union. Es ist praktisch nicht zu verhindern, dass 2050 10 Milliarden Menschen auf der Welt leben werden, das sind 2,5 Milliarden Menschen mehr als heute. Es kommen bis dahin also noch fünfmal so viele Menschen hinzu, wie es heute in der EU gibt.
Der Zuwachs wird im Wesentlichen in Indien, Pakistan und in Afrika stattfinden. Die afrikanische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppeln, von 1,2 Milliarden auf 2,4 Milliarden. Diese Bevölkerungsexplosion ist unser erstes großes Problem.
Das zweite Problem ist das Klima. Österreich wird davon weniger betroffen sein als die Länder, in denen es bereits heute zu bestimmten Jahreszeiten 40 Grad und mehr heiß ist. Wenn es dort noch wärmer wird, dann können die Menschen dort nicht mehr bleiben. Und wenn Milliarden Menschen ihren Lebensraum verlassen wollen (bzw. müssen), hat die ganze Welt ein Problem.
Die Explosion der Weltbevölkerung in Kombination mit dem Klimawandel ist ein extrem schwieriger Themenkomplex. Die beiden Themen befeuern sich gegenseitig. Hohe Bevölkerungszahlen resultieren aus Armut und der Klimawandel fördert die Armut und damit wieder die Geburtenraten. Umgekehrt bedeuten mehr Menschen einen höheren Ressourcenverbrauch, einen verstärkten Energieverbrauch und damit mehr Klimabelastungen. Insofern verschärft das Bevölkerungswachstum das Klimaproblem.
Auch wenn diese Entwicklungen in eine Katastrophe münden sollten, bedeutet das dennoch nicht das Ende der Menschheit. Aber es könnte richtig hässlich werden, wir könnten viel von unserem zivilisatorischen Fortschritt verlieren. Vieles Großartige, das wir heute gar nicht mehr zu würdigen wissen, könnte verschwinden.
Es könnte passieren, dass Milliarden Menschen sterben. Möglicherweise wäre das Schlimmste, was einem passieren kann, dass man überlebt.
Die moderne Informationstechnik bringt allen Menschen auf der Erde viele Informationen, wie das Leben anders sein könnte. Wenn man früher arm in Afrika lebte, hatte man nicht das Gefühl, arm zu sein, weil die Nachbarn ebenfalls nicht mehr hatten. Die Region war der Maßstab. Wenn die Menschen jedoch nun im Internet sehen, wie es z.B. in Tulln oder Wien aussieht, dann darf man sich nicht wundern, dass die Menschen zutiefst frustriert sind – vor allem dann, wenn sie überhaupt keine Perspektive sehen, dass es bei ihnen, in ihrem Land, irgendwann besser werden könnte. Man stelle sich junge Menschen vor, die erkennen, dass sich bei ihnen in den nächsten 50 Jahren nichts tun wird, während anderswo immer „Party“ ist. Da entsteht natürlich durch die Benachteiligten eine Dynamik, die darauf abzielt, diese Lage zu verändern, und genau mit dieser Dynamik ist man nun auf internationaler Ebene konfrontiert.
Auf der Ebene der Vereinten Nationen ist man sich einig, dass die Armut auf dem Globus überwunden werden muss und dass die Länder, die zurückliegen, ein Recht darauf haben, sich zu entwickeln.
Die Vereinten Nationen haben im achten Nachhaltigkeitsziel festgehalten, dass die aufholenden Länder einen Anspruch auf ein BIP-Wachstum von acht Prozent pro Jahr haben. Die Armen haben also ein Recht darauf, materiell reicher zu werden. Diese Menschen haben nämlich zum Teil kein Bett, keine Schuhe und keine Schulbücher. Das bedeutet, dass hier ein großer materieller Einsatz notwendig ist, denn es gibt sehr viele Arme, viel mehr als Reiche. Da kommt also sehr viel zusammen, wenn der Wohlstand in Breite zunimmt. Es geht dabei um Milliarden Menschen.
Ein gutes Beispiel dafür ist China. Zum einen hat China mit Zwangsmaßnahmen – Stichwort „Ein-Kind-Politik“ – dafür gesorgt, dass dort die Bevölkerungsexplosion irgendwann zu einem Ende kommt. Dieses Ziel ist noch immer nicht erreicht, obwohl das Programm bereits 30 Jahre läuft, wird aber bald erreicht sein. Der Grund dafür ist folgender: Wenn in einem armen Land die Kinderzahl der Familien deutlich kleiner wird, dabei gleichzeitig der Wohlstand zunimmt, dann steigt in der Folge die Lebenserwartung stark an. Diese bewegt sich in China heute auf unser Niveau zu. In den letzten 30 Jahren ist die Lebenserwartung der Chinesen um 20 Jahre gestiegen. Man könnte auch sagen, es ist eine ganze Generation von Chinesen nicht gestorben. Daher sind trotz der Ein-Kind-Politik viele Menschen dazugekommen.
Parallel zur Kappung des Bevölkerungswachstums haben die Chinesen enorm viel Wohlstand geschaffen. Die Kehrseite ist: Die Chinesen haben im letzten Jahr tausendmal so viel Beton verbaut wie die Österreicher, hundertmal so viel wie die Deutschen und in den letzten fünf (!) Jahren mehr als die USA in deren gesamter Historie. In einem einzigen Jahr wurden 1,4 Milliarden Tonnen Zement verbaut, eine sehr klimaintensive Angelegenheit. Derzeit emittieren die Chinesen pro Kopf 7,5 Tonnen CO2, die Europäer (nur) 6,8 Tonnen. Die Deutschen emittieren rund 10 Tonnen pro Kopf, die Franzosen – die die Atomkraft nutzen – 5 Tonnen pro Kopf. Im Schnitt emittieren die Deutschen und Franzosen ungefähr so viel wie die Chinesen pro Kopf – allerdings gibt es zehnmal so viele Chinesen wie Deutsche und Franzosen zusammen. Amerikaner, Japaner und Europäer emittieren insgesamt weniger CO2 als die Chinesen. Das Klimaproblem ist also in erster Linie ein China-Problem, wobei die Chinesen bereits massiv in erneuerbare Energieträger, Geothermie etc. investieren.
Die Chinesen wollen ihre Bevölkerung auf unser Wohlstandsniveau bringen. Allerdings liegt ihr BIP/Kopf noch immer deutlich unter dem europäischen Niveau, nämlich nur bei etwa der Hälfte. Daran kann man erkennen, dass die Energieeffizienz Chinas viel schlechter ist als jene in Europa. Das verschärft das Problem: Wenn arme Länder reicher werden, tun sie das meistens auf Basis einer schlechten Energieeffizienz, das heißt, sie sind zwar noch nicht so reich wie wir, emittieren aber bereits so viel CO2 wie wir. Das Problem ist, dass niemand ihnen das verbieten kann, denn die Chinesen argumentieren zu Recht, dass wir z. B. in Deutschland pro Kopf mehr CO2 emittieren als sie das pro Kopf tun. Zusätzlich stellen sie gerne auch historische Vergleiche an.
Und jetzt muss man sich Folgendes vorstellen: Was passiert, wenn Indien und Afrika dasselbe machen wie China? Die Inder liegen derzeit bei einem Drittel des BIP der Chinesen und die Afrikaner bei einem Achtel. Die Afrikaner haben also noch besonders viel aufzuholen und die Anzahl der Afrikaner wird in Kürze viel größer sein als jene der Chinesen. Die Inder haben auch viel aufzuholen, erreichen auch bald die Bevölkerungsanzahl Chinas. Wenn Indien und Afrika den Weg von China gehen, dann brauchen wir über die Klimafrage gar nicht mehr zu diskutieren, außer wir haben ein neues Modell. Das ist der nüchterne Befund und den gibt es schon so lange, wie es den Club of Rome gibt, 50 Jahre. Die Lage hat sich in den letzten 50 Jahren deutlich verschlechtert, weil es so viel mehr Menschen gibt, weil die Erwartungen an Wohlstand so viel höher sind und weil wegen der globalen Informationslage an dieser Dynamik auch nicht viel geändert werden kann. Das ist die Ausgangsituation für die Frage, wie das denn mit der Welt weitergeht.
Was soll man machen? Wo läuft das Ganze hin? Es gibt drei Optionen:
Szenario 1: (Eine Welt in Balance)
Die eine Option ist eine Welt, so schön wie Europa. Darin steckt die Vorstellung, dass Europa der beste Platz der Welt ist. Und es ist aus Sicht des Autors auch so, dass Europa zivilisatorisch das Beste ist, was man in der heutigen Welt erreichen kann. Wenngleich man, wenn man sich das „Theater“ um die Flüchtlinge ansieht, auch hier viele Fragezeichen zu machen beginnt. Aber selbst mit Fragezeichen ist Europa noch das Beste, was wir haben. Wir müssen hoffen, dass wir uns erhalten können, was wir haben, und wir müssen hoffen, dass die ganze Welt einmal dort hinkommt. Das wäre das Szenario Nr. 1 – die Welt in Balance.
Szenarien 2 und 3:
Die beiden anderen Szenarien handeln davon, dass sich für viele Menschen auf dem Globus die Situation verschlechtert, insbesondere auch für den Mittelstand der reichen Welt. Wobei man unterscheiden muss zwischen der Brasilianisierung (Szenario 2) und einem Kollaps (Szenario 3).
Bei der Brasilianisierung wird es eine gesellschaftlich organisierte bzw. orchestrierte Beherrschung der Verschlechterung geben. Bei einem Kollaps verlaufen die Prozesse unkontrolliert, es werden Bürgerkriege stattfinden und es werden relativ schnell ein paar Milliarden Menschen sterben. Für die Toten ist das dann kein Problem mehr, aber der Weg dahin, auch für die Überlebenden, wird grauenhaft sein.
Die Brasilianisierung, also der Weg in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, ist eine politisch koordinierte systematische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Mittelschicht in den reichen Ländern. Und diese Brasilianisierung ist die eigentliche und große Alternative zu der Wunschvorstellung einer wohlhabenden Welt in Balance.
Woher kommt der „Charme“ der Brasilianisierung? Den Mittelstand bilden derzeit ungefähr 1,5 Milliarden Menschen. Wenn sich dessen Lage massiv verschlechtert, dämpft dies den ökonomischen Prozess und führt vielleicht zu einem Negativwachstum. Die meisten Menschen werden dann so arm sein, dass sie sich kein Steak mehr erlauben können und auch kein Auto. Manche werden so arm sein, dass sie nicht mehr heizen können. Ein Teil wird tendenziell früher sterben, das entlastet diverse Kassen. Die Mitte der reichen Länder wird damit auch weniger Ressourcen verbrauchen und weniger CO2 verursachen, als das heute der Fall ist.
Der zweite Aspekt der Brasilianisierung ist noch viel „attraktiver“. Alle Chinesen, all die Inder, all die Malaien und all die Menschen, die derzeit in Richtung Wohlstand wollen, haben als Vorbild den Mittelstand der reichen Länder vor Augen. Wenn dieser jedoch arm wird, dann müssen die anderen Armen gar nicht mehr um so viel reicher werden, als sie schon haben, wenn sie genauso viel haben möchten, wie die Mitte der reichen Welt.
Es ist offenbar viel einfacher zu schaffen, dass 1,5 Milliarden weniger haben als dass 8 Milliarden substantiell mehr haben. Alle Ressourcenprobleme vereinfachen sich durch die Brasilianisierung radikal, wenn es also dem Mittelstand der reichen Länder viel schlechter geht. Armut löst die Ressourcenprobleme und damit die Klimaprobleme. Das ist zwar kein „sexy“ Programm und man wird auch keinen aktiven Politiker finden, der dafür eintritt. Wir können aber sicher sein, dass es unter den Eliten dieser Welt ganz viele Personen gibt, die dafür beten, dass es so kommt. Denn das hat nebenbei den Effekt, dass es die demokratischen Mehrheiten in der Mitte wegspült. Das heißt, die Situation der Oberschicht wird deutlich besser, wenn es der Mitte schlechter geht. Außerdem gibt es dann in der Mitte sehr viele preiswerte Dienstleister, die man heute nicht bezahlen kann. Also hätte man dann überall die Situation, die man heute in Brasilien, in Mexiko, in Ecuador und in Südafrika hat, dass die Reichen dort in vielerlei Hinsicht viel besser leben als die Reichen hier, weil dort z. B. die Dienstboten nur wenig kosten. Die ganze Welt würde gleich aussehen, aber sie würde aussehen wie Brasilien und Südafrika und nicht wie Österreich.
Dann würde es interessanterweise auch das heutige Gerechtigkeitsproblem zwischen reicher und armer Welt nicht mehr so krass geben, denn das Gerechtigkeitsproblem resultiert aus dem Wohlstandsbeispiel des Mittelstandes der reichen Länder. Die ganz Reichen und die ganz Armen, die gibt es nämlich überall auf der Welt, aber die Mitte gibt es nur in den OECD-Staaten und vor allem in Europa und in Japan.
Die schwierigste Situation, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, ist das „Ausbluten“ der Mitte, das Schritt für Schritt ja bereits permanent stattfindet. Das ist einer der dominierenden politischen Prozesse und deshalb gibt es zunehmend viele verärgerte Menschen in Europa. Das ist einer der Gründe, weshalb wir zum Beispiel den Brexit haben. Vor allem die Menschen in der unteren Mittelschicht haben das Gefühl, dass sich ihr Status im Kontext der Globalisierung dauernd verschlechtert, während an der Spitze immer mehr Vermögen da ist und die Eliten deshalb so gut leben, weil sie die Mitte ausbeuten. Das läuft allerdings so, dass man es zunächst nicht merkt, weil viele statistische Tricks angewandt werden.
Die Migrationsproblematik schlägt genau in dieses Muster hinein. Denn Migration verschlechtert die Situation der Menschen der unteren Mittelklasse, während die Eliten an Migration teilweise richtig gut verdienen. Viel von der Radikalisierung der Politik in Europa ist auf die prekäre Situation der unteren Mittelschicht zurückzuführen.
Wie kann man alle diese Probleme lösen? Wie schwierig das ist, zeigt sich an folgendem Beispiel: Viele sagen, wir sollten Wasser aus der Leitung trinken. Man sollte jedoch vorsichtig sein bei der Vorstellung, dass man damit die Probleme auf dem Globus lösen kann. Eines der größten Probleme mit dem Wasser aus der Leitung ist, dass anschließend noch immer das Geld, das sonst weg wäre, in unseren Geldbörsen ist. Das ist es auch, wenn man keine Steaks isst oder das Auto verkauft und Car-Sharing nutzt. Dieses Geld, das man sich erspart, wird anschließend wieder ausgegeben. Man nennt das den Bumerang-Effekt: Etwas an sich Gutes, das vermeintlich das Problem löst, verstärkt dabei durch Rückkopplungseffekte das Schlechte. Selbst wenn wir unser auf sinnvolle Weise erspartes Geld auf die Bank legen, wird es sich jemand ausleihen und es ausgeben.
Es ist also gar nicht so einfach, Geld nachhaltig und umweltfreundlich zu „entsorgen“. Solange das Geld irgendwo ist, richtet es potentiell auch einen ökologischen oder vielleicht einen sozialen Schaden an. Man muss lange über die Frage nachdenken, wie Geld keinen Schaden anrichtet. Nur wenn man etwas Sinnvolles mit dem Geld macht, kann man damit der Welt helfen.
Die Lösung, an der wir derzeit arbeiten, ist der Marshall-Plan mit Afrika. Wir sehen die große Herausforderung für Europa darin, Afrika zu adressieren und zwar so, dass die Menschen in Afrika bleiben wollen und der Bevölkerungszuwachs sich auf 2,5 Milliarden limitiert und nicht auf 4 Milliarden zugeht. Da spielen die nächsten 30 Jahre eine zentrale Rolle!
Wir brauchen rund 20 Millionen neue Arbeitsplätze jedes Jahr und das 30 Jahre lang, also 600 Millionen moderne Arbeitsplätze. Die Lösung muss sich wirtschaftlich rechnen. Die Probleme Afrikas kann man nicht lösen, indem wir einfach Geld hinüberschicken. Das hilft wenig, ganz abgesehen davon, dass wir so viel Geld sowieso nicht haben und die Bevölkerung das auch ohnehin nicht akzeptieren würde.
Wir brauchen also einen ökonomischen Prozess wie in China, der sich für die Afrikaner und für uns lohnt. Er muss Afrika reicher machen und wir müssen daran mitverdienen, damit wir im großen Stil zu Investitionen bereit sind. Ganz viele Arbeitsplätze müssen entstehen und – das ist ganz wichtig – es muss dadurch gleichzeitig das Klimaproblem gelöst werden. Das ist nicht die Quadratur des Kreises. Es kann durchaus funktionieren, wenn man negative Emissionen in Betracht zieht. Der Wohlstandzuwachs sollte CO2 aus der Atmosphäre herausholen. Das leisten biologische Prozesse, einerseits Aufforstungen, andererseits kluge Landwirtschaft in semiariden Zonen am Rande von Wüsten. Humusbildung und Biokohle sind die natürlichen Mechanismen, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu holen und in den Boden bzw. in das Holz zu bringen. Das liefert zugleich erneuerbare Ressourcen, viel mehr Nahrung und Holz als Baustoff, z. B. für Gebäude – und das alles in einem stabilen System, das zahlreiche Arbeitsplätze schafft.
Dieser Weg ist deshalb möglich, weil uns heute moderne Techniken wie Solarthermie und Photovoltaik zur Verfügung stehen. Der ideale Ort dafür ist die Wüste. Die Sahara und die arabische Wüste kommen dafür gut in Frage. Wir haben heute in der Nähe von Marrakesch das größte Solarfeld der Welt, die Ägypter planen eines, das zehnmal so groß ist, die Saudis ein hundertmal größeres als die Ägypter. Das Schöne dabei ist, dass es keine Umweltschutzprobleme gibt und die Sonne den ganzen Tag scheint. Die Gestehungskosten liegen bei dieser Erzeugungsart bei 2-3 Cent für eine Kilowattstunde. Das ist die Basis für die Entsalzung von Grund- und Meereswasser und die Herstellung von Wasserstoff – und somit die Lösung des halben Klimaproblems Europas. Wasserstoff hat Auswirkungen auf die Schwerindustrie und chemische Industrie, auf die für spezielle Anforderungsfelder (etwa Überfüllen der Innenstadt größerer Städte) Wärme in den Häusern und auch die Autos – Elektroautos sind ein Thema, nicht die allgemeine Lösung. Der Strom ist die eine Hälfte, die andere sind synthetische Kraftstoffe wie Ethanol, die man in Afrika klimaneutral produzieren kann. Man schafft Wertschöpfung für die Afrikaner, löst damit auch unsere Probleme, verdient Geld, schafft Arbeitsplätze, die die Afrikaner brauchen, und nimmt CO2 aus der Atmosphäre.
Noch in diesem Jahr wird das deutsche Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ein Bündnis „Entwicklung und Klima“ ins Leben rufen. Dadurch sollen private Akteure motiviert werden, freiwillig in globale CO2-Kompensationsprojekte Geld zu investieren – z. B. in Aufforstungen –, um das CO2 so aus der Atmosphäre zu holen, aber auch sogenannte Co-Benefits mit Blick auf die 17 SDGs der Vereinten Nationen (Agenda 2030) zu erzeugen, wie z. B. eine Stabilisierung des Wasserhaushalts, positive Effekte für die Ernährung, eine Verbesserung der Situation der Frauen und Kinder sowie der Infrastruktur.
Jeder kann sich klimaneutral stellen und seinen CO2-Ausstoß – sagen wir 5 bis 6 Tonnen CO2 pro Jahr – durch internationale Kompensationsprojekte ausgleichen, das kostet etwa 40 Euro pro Jahr. Diese 40 Euro werden wirksam – für die nachholende wirtschaftliche Verbesserung der Situation der Armen dieser Welt und für die Erreichung der Klimaziele. So kann man Geld sinnvoll „entsorgen“, wie zum Beispiel auch das Vorarlberger Klimaneutralitätsbündnis zeigt (https://www.klimaneutralitaetsbuendnis2025.com), dem sich immer mehr Betriebe anschließen.
Fazit: Die Lage ist nicht hoffnungslos, aber man muss klug vorgehen und zu unkonventionellen Ansätzen bereit sein."
Der Vortrag wurde von Herrn Franz Josef Radermacher im Danubium Tulln am 18. Juni 2018 gehalten. Der Text ist authorisiert.